KulturNetzKöln e.V. - Pressemitteilung

Kulturticket vertagen! - die freie Kunst- und Kulturszene fordert Analyse zu Publikums(rück)gewinnung und substantielle Unterstützung für Veranstalter*innen und Spielstätten

Auch im dritten Jahr der Pandemie steht die freie Kunst- und Kulturszene angesichts der sich überlagernden Krisen vor großen Herausforderungen: Steigende Energiekosten und Inflation treffen Akteur*innen wie Publikum - und die Sorge vor Corona-Infektionen, knappe Finanzen oder veränderte Rezeptionsgewohnheiten tragen dazu bei, dass weniger Menschen Kulturveranstaltungen besuchen.

Das seit Sommer 2022 in Köln diskutierte „9-Euro-Ticket“ für Kultur, das am 29. November 2022 im Ausschuss für Kunst und Kultur des Rates der Stadt Köln verhandelt werden soll, dokumentiert das Problembewusstsein und die grundsätzliche Hilfsbereitschaft von Politik und Verwaltung. Die bislang - auch unter Einbeziehung der freien Szene - diskutierten Vorschläge erscheinen dem KulturNetzKöln allerdings weder als geeignetes Instrument zur Rückgewinnung von Publikum noch als nachhaltiger Beitrag zur Erhaltung und Stärkung von Strukturen.

Warum?

Überhöhte Erwartungen: Es ist durchaus fraglich, inwieweit verbilligte Tickets in größerem Umfang fernbleibende Zuschauer*innen zurückbringen oder neue anlocken. Viele Anzeichen sprechen jedenfalls dafür, dass zu den Gründen für den Publikumsrückgang neben finanzieller Zurückhaltung u.a. auch Corona-bedingte Vorsicht und veränderte Rezeptions- und Ausgehgewohnheiten zählen. Ohne eine tragfähige Analyse des tatsächlichen, augenscheinlich unterschiedlich ausfallenden Publikumszuspruchs, die die Erfahrung der freien Veranstalter*innen umfassend einbezieht, erscheint eine Reduktion von Eintrittspreisen vorschnell und u.U. kontraproduktiv.

Flatrate ohne Nachhaltigkeit: Eine generelle Preissenkung - oder gar eine Flatrate - für Kulturveranstaltungen ist nicht nachhaltig, wertet Kultur ab, ist derzeit in keiner Form gegenfinanziert und könnte sich langfristig als Bumerang erweisen. Außerdem werden viele Veranstaltungen der freien Szene ohnehin zu sehr moderaten Eintrittspreisen und mit vielfältigen Ermäßigungen angeboten.

Abbau finanzieller Barrieren muss nachhaltig gedacht werden: Soweit der Zugang zu Kultur durch finanzielle Barrieren - verschärft durch Krisenzeiten - behindert wird, sollten nachhaltige Lösungen für finanziell Benachteiligte konzipiert werden.

Finanzielle Belastung statt Stärkung gefährdeter Strukturen: Bislang wurde weder eine tragfähige finanzielle Kompensation für die Teilnahme am Kulturticket gefunden noch ein Budget für die konkrete Umsetzung welcher Aktion auch immer bereitgestellt. Daher sind durch die Teilnahme an den derzeit diskutierten Aktionen zusätzliche Belastungen freier Kulturakteur*innen zu erwarten, wo eigentlich dringend eine Stärkung von Veranstalter*innen und Spielstätten benötigt wird.

Was tun?

Das KulturNetzKöln setzt sich für die Entwicklung eines Modells zur Publikums(rück)gewinnung ein, das

  • auf einer gründlichen Analyse beruht
  • der Heterogenität freier Kulturveranstaltungen Rechnung trägt,
  • finanzielle und andere Barrieren beim Besuch von Kulturereignissen abbaut,
  • Sichtbarkeit und Öffentlichkeitsarbeit freier Kulturveranstaltungen stärkt,
  • Spielstätten und Veranstalter*innen auch mittelfristig bei der finanziellen Kompensation von Publikumsrückgängen und der Entwicklung individueller Maßnahmen unterstützt

In solidarischen Aktionen von städtischen Kultureinrichtungen und freier Szene, die weit über ein “Kulturticket” hinausgehen könnten, sollte es darum gehen, gerade in Krisenzeiten möglichst vielen Menschen die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur zu ermöglichen. Ein besonderes Augenmerk könnte dabei darauf liegen, angesichts der anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen und Transformationen neue Diskurs- und Begegnungsräume zu eröffnen.

Vorstand KulturNetzKöln

Köln, 29. November 2022

Pressemitteilung zum Kulturticket, 29.11.2022

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